Interview LOTTO24 AG

LOTTO24 AG: Gesundes Wachstum eines familiären Unternehmens

Die LOTTO24 AG mit Sitz in Hamburg ist, vereinfacht gesagt, ein Lottokiosk im Internet. Rund um die Uhr wird über die Webseite www.lotto24.de und die Smartphone-App „Lotto24.de“ das staatliche Lotto verkauft. Über diese zeitgemäßen Vertriebswege möchte das vor drei Jahren gegründete Unternehmen das Lottospielen insbesondere für jüngere Menschen attraktiv machen – und damit ein 60 Jahre altes Produkt vor dem Aussterben bewahren.

In einem im Juli 2015 geführten Interview schildern Petra von Strombeck (Vorstandsvorsitzende), Petra Stangier (Leiterin Personal) und Andreas Bartel (Scrum Master), wie sie es geschafft haben, die zuvor externe IT-Abteilung in das Unternehmen zu integrieren, ohne dafür die familiäre und von den Mitarbeitern ausgezeichnete Unternehmenskultur zu opfern.

Späte Integration

Holger Koschek: Warum integrieren Sie die IT erst jetzt organisatorisch in Ihr Unternehmen?

Petra von Strombeck: In der Gründungsphase haben wir uns auf die Frage konzentriert, ob unser Geschäftsmodell tragfähig ist. Da machte es aus unserer Sicht keinen Sinn, gleichzeitig eine große IT-Abteilung aufzubauen und die erforderliche Hardware zu beschaffen und zu betreiben. Deshalb haben wir die gesamte IT über einen externen Dienstleister abgewickelt. Das hat uns die nötige Freiheit gegeben, um uns voll und ganz dem Geschäftsmodell zu widmen.

Im vergangenen Jahr haben wir dann die strategische Entscheidung getroffen, die IT zu einem integralen Bestandteil unseres Unternehmens zu machen. Damit eröffnete sich uns die Chance, auf der grünen Wiese eine komplett neue Abteilung zu schaffen. Die Integration ist noch nicht abgeschlossen, aber wir sind auf einem guten Weg.

Koschek: Warum haben sie sich zu diesem Schritt entschlossen? Was läuft jetzt besser als zuvor?

von Strombeck: Für ein E-Commerce-Unternehmen ist die IT grundsätzlich eine strategische Größe. Von der Integration haben wir uns konkret zwei Effekte versprochen. Zum einen wollten wir unseren Qualitätsansprüchen besser gerecht werden und mehr PS auf die Straße bringen, sprich: die Time-to-Market durch eine engere Zusammenarbeit zwischen IT und Produktmanagement weiter verkürzen. Der zweite Aspekt ist ein finanzieller: die variablen Verträge mit unserem IT-Dienstleister waren an die Spieleinsätze gekoppelt, die über unsere Plattform abgewickelt werden. Mit zunehmendem Geschäftserfolg wurde dementsprechend die IT immer teurer. Für unser strategisches Ziel, zukünftig auch White-Label-Lösungen für den B2B-Markt anzubieten, war das Konstrukt „externe IT“ eher ungeeignet. Unseren Integrationstendenzen kam zugute, dass wir uns vertraglich die Rechte auf den gesamten Quellcode gesichert hatten.

Die passenden Menschen finden

Koschek: Eine IT-Abteilung auf der grünen Wiese aufbauen zu dürfen, klingt nach einem Traumjob. Stimmt das?

von Strombeck: Nun ja, so ganz grün war die Wiese dann doch nicht – und das war gut so. Um nämlich ein solches Unterfangen mit vertretbarem Risiko bewältigen zu können, muss man die neue Abteilung mit ein paar erfahrenen Köpfen gründen. Auch das hatten wir mit dem externen Dienstleister von vornherein geklärt, und so durften wir uns aussuchen, welche seiner Mitarbeiter zur Startmannschaft der neuen Abteilung gehören sollten. Die innere Organisation der neuen Abteilung war dann aber tatsächlich die besagte grüne Wiese.

Da die Position des IT-Leiters von Beginn an besetzt war, konnten wir die Struktur von oben aus entwickeln. Die schnelle Rekrutierung eines einsatzfähigen Teams gelang, weil wir uns temporär mit externen Kräften verstärkten und dank unserer Auszeichnung als „Hamburgs bester Arbeitgeber“ eine gute Sichtbarkeit auf dem Arbeitsmarkt haben.

Mit Bewerbern machen wir immer zwei Interview-Runden mit ganz unterschiedlichen Besetzungen. Bewerber für die IT-Abteilung treffen im Interview beispielsweise auf Kollegen aus dem Marketing, die den „Team Fit“ sicherstellen sollen. Das funktioniert sehr gut, und wir sind mit den daraus entstandenen Teams sehr zufrieden.

Koschek: Ihnen geht es also durchaus um die Fachlichkeit, aber vielmehr darum, dass die Person menschlich zum Unternehmen passt.

von Strombeck: Genau. Fachlichkeit kann man immer lernen – wobei es uns zu lange dauern würde, wenn ein Bewerber auf seinem Fachgebiet bei Null anfinge. Wenn aber jemand menschlich nicht passt, dann werden wir mit dieser Person nicht erfolgreich zusammenarbeiten können. Deshalb ist das für uns ein ganz wesentlicher Aspekt. Das bedeutet aber nicht, dass hier lauter gleichgeschaltete Menschen arbeiten. Wir sind ziemlich heterogen. Wir suchen nicht einen einzigen Typ von Mitarbeiter, sondern jemanden, der hier reinpasst.

Koschek: Wer entscheidet denn letztendlich, ob ein Bewerber eingestellt wird?

von Strombeck: Die vier Personen, die das Interview geführt haben. Wenn einer von ihnen ein Veto einlegt, dann wird der Bewerber nicht eingestellt – ganz egal, wie dringend der Bedarf der Fachabteilung auch sein mag.

Schnelle Entscheidungen sind entscheidend

Koschek: Kurze Entscheidungswege, transparente Kommunikation, flache Hierarchien – das sind die Eigenschaften, mit denen Sie sich selbst charakterisieren. Das gilt vermutlich auch für die neu gegründete IT-Abteilung.

von Strombeck: Ja – das zieht sich letztendlich durchs gesamte Unternehmen. Die kurzen Entscheidungswege fangen schon beim Recruiting an. Nach dem zweiten Interview gibt’s ein 15-minütiges Review. Entscheiden wir uns für den Bewerber, dann hat er oder sie am nächsten Tag ein Angebot auf dem Tisch. Wir wollen keine Zeit verlieren.

Ein anderes Beispiel für schnelle Entscheidungen: Neulich war ich in einem Meeting, in dem es um die Frage ging, ob wir Mahngebühren erheben wollen. Die Runde war breit besetzt, mit Vertretern aus Marketing, Call Center, CRM und mir. Innerhalb von zehn Minuten hatten wir die relevanten Fakten ausgetauscht und eine Entscheidung getroffen, die nun umgesetzt werden konnte. Diese schnellen Entscheidungen kann bei uns jeder einfordern, der sein Thema ausreichend gut vorbereitet hat. Dabei muss nicht jede Entscheidung in meinem Beisein getroffen werden – das wäre ja schlimm, weil es das Unternehmen stark ausbremste. Deshalb legen wir großen Wert darauf, dass unsere Führungskräfte gerne gestalten und Verantwortung übernehmen. Mein persönliches Ziel: Ich bin zwei Wochen lang im Urlaub und das Unternehmen läuft weiter, ohne dass ich ständig kontaktiert werde. Das funktioniert tatsächlich.

Koschek: Das ist schön – und gar nicht selbstverständlich.

Wenn Entscheidungen getroffen werden, dann können sich diese im Nachhinein als falsch herausstellen. Wie gehen sie damit um?

von Strombeck: Natürlich dürfen bei uns Fehler gemacht werden. Idealerweise steht man dazu. Noch besser ist, wenn man aktiv kommuniziert, dass man einen Fehler gemacht hat, damit andere daraus lernen können. Schlecht finde ich, wenn Fehler mehrmals gemacht werden. Eine Entscheidung später zu revidieren ist für uns nichts Ungewöhnliches.

Andreas Bartel: Mir als Scrum Master ist wichtig, dass die Teams über solche Veränderungen gut informiert sind. Wir haben in der jüngeren Vergangenheit bei einigen Projekten Korrekturen vorgenommen, darunter auch größere Kursänderungen. Das funktioniert, wenn man rechtzeitig kommuniziert, was wir uns ursprünglich vorgestellt hatten, warum es dann anders gelaufen ist, und welche Konsequenzen wir daraus ziehen.

Petra Stangier: Wenn man keine Experimente zulässt, dann kann man sich weder als Unternehmen noch als Mensch weiterentwickeln.

Bartel: Selbstorganisation heißt für mich, mit den Informationen, über die ich aktuell verfüge, eine Entscheidung zu treffen. Wenn ich mich nicht entscheide, dann lähme ich damit die Organisation.

Hierarchien sind flache Kreise

Koschek: Woran erkenne ich als Mitarbeiter, dass die Hierarchien bei LOTTO24 flach sind?

von Strombeck: Wir haben im gesamten Unternehmen lediglich vier Hierarchieebenen. Viel wichtiger aber ist, dass jeder für jeden immer ansprechbar ist. Leider ist es so, dass sich immer noch nicht alle trauen, mit ihren Fragen direkt zu mir ins Büro zu kommen. Deshalb bin ich dazu übergegangen, mich insbesondere mit den neuen IT-Mitarbeitern einzeln zum Mittagessen zu verabreden. In dieser lockeren Atmosphäre werden dann plötzlich viele Fragen gestellt. Füreinander da zu sein – das ist es, was ich unter flachen Hierarchien verstehe.

Bartel: Mit unseren vier Hierarchiestufen sehen wir von Außen betrachtet tatsächlich recht traditionell aus.

von Strombeck: … wobei wir die Organigramme offiziell abgeschafft haben!

Bartel: Ja, aber die Hierarchiestufen sind trotzdem da. Viel wichtiger ist jedoch, dass hier nirgends Plakate hängen, auf denen wir uns in den Himmel loben. Die Unternehmenskultur kann man nicht studieren, sondern nur erleben. Das habe ich in meinen sechs Monaten Firmenzugehörigkeit erfahren dürfen.

von Strombeck: Wir haben darüber nachgedacht, ob wir die Werte und die Kultur des Unternehmens zu Papier bringen sollten. Viele von uns haben so etwas bei ihren ehemaligen Arbeitgebern erlebt und diesen Prozess als sehr mühselig empfunden. Am Ende kam meistens ein Buch für die Mitarbeiter heraus, das in den Schreibtischschubladen verschwand und nie gelesen wurde. Wir leben unsere Werte, anstatt sie aufzuschreiben, und weisen insbesondere auch unsere Führungskräfte darauf hin, wenn sie diese Werte verletzen.

Stangier: Die Struktur unseres Unternehmens beschreiben wir in Form von vier Kreisen – Marketing, Corporate (u.a. Finanzen), IT und ein zentrales Management-Team –, die sich überschneiden. Dies symbolisiert die Zusammenarbeit zwischen den Einheiten. Die Schnittstellen sind nicht explizit ausgestaltet in Form von Gremien oder Vertretern, wie man es aus soziokratischen Systemen kennt. Wir wollten einfach ein passenderes Bild für unsere Struktur finden als das klassische Organigramm. Und das ist uns gelungen.

Bartel: Ganz ohne Berater!

Ausgezeichneter Arbeitgeber

Koschek: Sie haben vorhin erwähnt, dass LOTTO24 als „Hamburgs bester Arbeitgeber“ ausgezeichnet wurde. Was bedeutet das?

von Strombeck: Es bedeutet, dass wir tolle Bewertungen von unseren Mitarbeitern bekommen haben.

Stangier: Wir haben in diesem Jahr erstmals an dem Wettbewerb teilgenommen. Um so überraschter waren wir, als uns am Ende zwei Preise verliehen wurden: Wir sind in der Fünf-Sterne-Kategorie vertreten und haben zudem den Sonderpreis als familienfreundliches Unternehmen verliehen bekommen, obwohl es bei uns keinen Betriebskindergarten gibt. Wir sind stolz auf dieses Ergebnis, weil es das Ergebnis einer Mitarbeiterbefragung ist und nicht auf der Auswertung von Unternehmensbroschüren oder anderen Dokumenten beruht.

Koschek: Was macht LOTTO24 aus Sicht der Mitarbeiter zum familienfreundlichen Unternehmen?

von Strombeck: Es ist unser Grundverständnis für die Bedürfnisse von Eltern und Familien. Ich habe noch nie in einem Unternehmen gearbeitet, in dem prozentual so viele Kinder geboren werden. Dadurch ist jeder im Thema. Von Teilzeitmodellen über Heimarbeitsplätze, von ungeplanter Abwesenheit, weil das Kind krank ist, bis hin zum „komme heute später, weil unser Kind …“ – all das ist Realität und akzeptierte Normalität. Die Teams fangen das auf. Muss jemand beim kranken Kind bleiben, dann wird ihm notfalls der Computer zu Hause vorbeigebracht. Dadurch spürt jeder, dass es bei uns kein Problem darstellt, wenn man mit der freudigen Nachricht herausrückt, dass Nachwuchs unterwegs ist.

Bartel: Als Vater zweier Kinder kann ich das bestätigen. Auch ich bleibe ab und zu spontan der Kinder wegen zu Hause. Ich schätze es sehr, dass ich deshalb kein schlechtes Gewissen haben muss, denn ich weiß: alles läuft weiter – auch ohne mich.

Koschek: Jetzt verstehe ich, warum Sie diesen Sonderpreis auch ohne Firmen-Kita zuerkannt bekommen haben. Eine institutionalisierte Kinderbetreuung ist sehr wertvoll und lobenswert, aber die familienfreundliche Kultur, die sie hier beschreiben, ist etwas ganz Besonderes.

Aber die Familienfreundlichkeit allein wird Sie wohl kaum zu einem Fünf-Sterne-Unternehmen gemacht haben. Welche Gründe gibt es noch, bei LOTTO24 zu arbeiten?

Stangier: Unser Credo ist: Von Menschen – mit Menschen – für Menschen. Wir wollen ein tolles Team sein, das LOTTO24 gemeinsam nach vorne bringt. Dafür leistet jeder einen großen Beitrag, dementsprechend feiern wir die Erfolge immer gemeinsam.

Uns ist außerdem wichtig, jeden Mitarbeiter dort abzuholen, wo er gerade steht. Die dafür nötige Transparenz schaffen wir beispielsweise durch die Monday-Morning-Meetings. Hier lassen wir gemeinsam die vergangene Woche Revue passieren und legen fest, was in der kommenden Woche ansteht. In diesem Meeting kommt jeder zu Wort, der etwas zu sagen hat – nicht nur der Vorstand.

Bartel: Das ist ein gutes Beispiel für unsere fokussierte Meeting-Kultur. An den Meetings nimmt nur teil, wer wirklich erforderlich ist. Beim Monday-Morning-Meeting ist es das gesamte Unternehmen. Da wir die Meetings so kurz wie möglich halten, sind sie für uns ein Transparenzgewinn – und kein Zeitverlust.

von Strombeck: Dieses Meeting haben wir übrigens erst in diesem Jahr eingeführt, weil wir festgestellt haben, dass sich durch die Integration der IT viel bewegt und der Synchronisationsbedarf stark gestiegen ist.

Stangier: Das Feedback unserer Mitarbeiter zeigt uns, dass wir auf einem guten Weg sind. Die letzte unserer jährlichen Mitarbeiterbefragungen hat bestätigt, dass der Zusammenhalt der Mitarbeiter ein wichtiger Wert unseres Unternehmens ist.

Wachstum aktiv gestalten

Koschek: Gab es neben dem Monday-Morning-Meeting andere Maßnahmen, mit denen Sie auf das rapide Wachstum des Unternehmens reagiert haben?

Stangier: Auf den Fluren finden Sie von jedem Mitarbeiter einen selbst gestalteten Steckbrief. So können wir den neuen Gesichtern einen Namen zuordnen, und über gemeinsame oder ausgefallene Hobbys kommt man schnell miteinander ins Gespräch.

von Strombeck: Als im April plötzlich ganz viele neue „Tekkies“ bei uns ankamen, haben wir ein Speed-Dating veranstaltet. Jeder Neue hatte fünf Dates und konnte so in kurzer Zeit viele neue Kollegen kennenlernen. Die Resonanz war nach anfänglicher Skepsis sehr positiv.

Bei unserer Lunch-Lotterie werden jede Woche vier Mitarbeiter ausgelost, die miteinander essen gehen „müssen“, genauer: wir laden sie ein. Das verbindet Mitarbeiter aus Abteilungen, die sonst kaum Berührungspunkte haben – beispielsweise die Finanzbuchhaltung und die IT. All das funktioniert gut bei einer Firmengröße unterhalb von einhundert Mitarbeitern. Deshalb versuchen wir, diese Grenze nicht zu überschreiten, was mit unserem Geschäftsmodell gut möglich ist.

Kosten und Nutzen

Koschek: Scrum Master als Vollzeitkraft, wöchentliche Meetings mit der gesamten Firma, Lunch-Lotterie: Was sagen Ihre Aktionäre zu diesen Kosten, die in einem traditionell geführten Unternehmen nicht anfallen?

von Strombeck: Betrachten wir nur einmal die Kostenseite: Ein gutes Betriebsklima senkt die Recruiting-Kosten enorm. Über persönliche Empfehlungen der Mitarbeiter finden wir schneller und günstiger die Menschen, die zu uns passen. Und weil sich die meisten Mitarbeiter bei uns wohlfühlen, ist die Fluktuation gering.

Wir versuchen nicht, die Mitarbeiter über ein hohes Gehalt an uns zu binden, sondern über den Spirit, gemeinsame Ziele und Erfolge. Wenn Menschen mit Spaß und Herzblut bei der Sache sind, dann kommen die bestmöglichen Ergebnisse dabei heraus. Deshalb sind wir meiner Meinung nach ganz im Sinne unserer Aktionäre unterwegs. Das steht nicht im Widerspruch zu einem guten und menschlichen Betriebsklima. Trotzdem fahren wir keinen Kuschelkurs. Wir sind angetreten, um den Markt aufzurollen.

Ein attraktives Produkt – mit Suchtgefahr?

Koschek: Um den Markt aufzurollen, müssen Sie dafür sorgen, dass das Produkt für die Kunden attraktiv ist – und bleibt. Wie machen Sie das?

von Strombeck: Über eine gesunde Mischung aus Kunden- und Mitarbeiter-Feedback. Über Online-Panels und Kundenzufriedenheitsumfragen holen wir aktiv Feedback ein, weil uns viele Kunden von sich aus nicht alles mitteilen. Die Mitarbeiter unseres Call Centers hören im Gespräch mit den Kunden ganz genau hin. Das Call Center sitzt hier im Haus, ein Stockwerk tiefer. So erfahren wir sofort, wenn etwas nicht funktioniert, bekommen aber auch anderes Kundenfeedback schnell weitergeleitet.

Wir haben viele schlaue Mitarbeiter, die über den Tellerrand schauen. Sie beobachten, was sich in anderen Märkten tut, und überlegen, welche Auswirkungen das auf unseren Markt haben kann. Über Usability-Analysen und A/B-Tests stellen wir sicher, dass unsere neuen Ideen von den Kunden auch verstanden werden. Mit vielen dieser Ideen treiben wir mittlerweile den Lotto-Markt vor uns her.

Koschek: Sie bieten ein Glücksspiel in der Anonymität des Internet an. Wie bewerten Sie die Suchtgefahr?

von Strombeck: Bei Lotto „6 aus 49“ machen Sie sechs Kreuze und warten dann drei Tage, bis Sie erfahren, ob Sie gewonnen haben. Je kürzer die Spanne zwischen Spiel und Ergebnis ist, desto größer ist die Suchtgefahr. Lotto ist völlig unproblematisch.

Beim Lottospiel im Internet sind Sie mitnichten anonym. Bevor Sie bei uns spielen dürfen, haben wir beispielsweise Ihr Alter sicher überprüft. Und wir haben ein Auge auf jeden gespielten Lottoschein. Es gibt Limits, die wir setzen, und Limits, die Sie sich setzen können. Wir achten darauf, dass niemand aus dem Ruder läuft. Das funktioniert sogar besser als am Lottokiosk, wo Sie bei zehn verschiedenen Lottoannahmestellen mehrere Lottoscheine abgeben können, ohne dass das jemand merkt. Ein durchschnittlicher Spieler investiert bei uns 50 Euro im Monat – das halten wir für unproblematisch.

Koschek: Ihr Produkt ist mittlerweile 60 Jahre alt. Der digitale Wandel lehrt uns, dass es für etablierte Geschäftsmodelle keine Überlebensgarantie mehr gibt. Wie gehen Sie mit dieser Unsicherheit um?

von Strombeck: Wir sind da ganz entspannt, weil wir das Grundprinzip Lotto für zeitlos halten. Menschen fangen in der Regel mit Anfang/Mitte 30 an, Lotto zu spielen. Zu diesem Zeitpunkt haben sie ein Haus gekauft und müssen zwei Kinder ernähren und ein Auto abbezahlen. Dann stellen sie fest, dass bei einem durchschnittlichen Gehalt das Geld am Ende des Monats regelmäßig alle ist und dass sich in den kommenden 35 Jahren daran nicht viel ändern wird. Und dann spielen die Menschen Lotto. Es ist der „Escape“-Knopf, den Sie drücken, um sich vorzustellen zu dürfen, was sie mit einem Gewinn in Höhe von 24 Millionen Euro anstellten. Diese kleine Freiheit im Kopf verkaufen wir. Die Sehnsucht danach ist ungebrochen – man muss nur für jede Generation den passenden Vertriebsweg finden.